Cordula Tollmien La gatta heisst Katze Leseprobe

 

 Cordula Tollmien

La gatta heißt Katze

Verlagsangabe ab 12 Jahre, nach Erfahrungen der Autorin ab 9 Jahre

Oben vom Eulenturm aus sind wir im Winter auch immer Schlitten gefahren. Das war die beste Rodelbahn in der Nähe. Mittendrin ging es zweimal ganz steil runter, so dass man wie auf einer Sprungschanze mit dem Schlitten durch die Luft fliegen konnte. Außerdem hatten sie damals unten noch nicht diesen Wall gebaut, druch den man nicht mehr über die Straße fahren kann. Wir konnten noch bis runter auf die Schillerwiesen fahren, wenn die Bahn gut in Schuss war.

Rosetta war früher noch nie gerodelt. Ihre Mutter hatte so viel Angst vor Schnee, dass sie kaum rausgehen konnte, wenn Schnee lag. Sie wollte deshalb auch nicht, dass Rosetta rausging.

Dort, wo Rosettas Mutter geboren war - das war im Süden von Italien -, gab es keinen Schnee. Deshalb hat sie sich nie daran gewöhnen können, obwohl sie später dann in die Berge gezogen ist und obwohl sie nun schon so lange in Deutschland war. Auch im Sommer hat sie hier immer gefroren.

Rosetta und ich sind deshalb rodeln gegangen, ohne ihr Bescheid zu sagen.

Diesmal hat Rosetta Angst gehabt, obwohl sie nur vorne sitzen musste und nicht zu lenken brauchte. Als es losging, hat sie deshalb ganz laut "aiuto!" gerufen, was "Hilfe!" auf Italienisch heißt, das wusste ich schon.

Rosetta hat manchmal Italienisch geredet, wenn sie nicht wollte, dass sie jemand versteht, und das war sehr praktisch, weil sie so alle möglichen Sachen auch zu Erwachsenen sagen konnte und die nichts dagegen machen konnten. Ich wollte immer gern, dass Rosetta Italienisch redet, weil ich das aufregend fand und auch ein bisschen stolz war, dass sie das konnte. Aber weil manche Leute dann auf die Ausländer geschimpft haben, hatte Rosetta oft keine Lust dazu. Beim Rodeln war es ihr natürlich auch peinlich, vor den anderen Kindern laut "Hilfe!" zu rufen, und "aiuto!" konnte niemand verstehen.

Weil sie rodeln konnte und mir auch nicht ganz getraut hat, hat sie sich natürlich immer zur falschen Seite gelegt und wir sind ein paar Mal umgekippt. Das hat aber alles großen Spaß gemacht und wir sind so lange immer wieder den Berg hinaufgezogen und runtergerodelt, dass wir zum Schluss ganz allein auf der Bahn waren und sogar schon der Mond schien.

Wir sind beide geschimpft worden. Denn unsere Eltern hatten sich Sorgen gemacht, weil beim Rodeln immer was passieren kann. Man kann sich was brechen oder vom Auto überfahren werden, wenn man einfach so über die Straße rodelt. Es stand da zwar ein Schild mit einem Schlitten drauf für die Autofahrer und ich habe zu meiner Mutter gesagt, dass die doch aufpassen und langsam fahren könnten. Meine Mutter hat aber gesagt, dass die uns gar nicht sehen könnten, sondern erst, wenn es zu spät wäre.

Doch trotz des Schimpfens hinterher, war es sehr schön, als Rosetta und ich ganz allein gerodelt sind.

Wir haben nicht mehr geschrien. Alles war ganz still, nur das Knirschen des Schlittens auf dem Schnee konnte man hören. Beim letzten Mal sind wir dann über beide Straßen hinweg bis weit in die Wiesen hineingekommen und wir sind auch nicht mehr umgekippt, weil Rosetta sich richtig zurückgelehnt hat und ich sie ganz festgehalten habe.

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